- Wird jedoch hiernach Überschuldung festgestellt, ist für den Geschäftsführer oder Vorstand der betroffenen Gesellschaft
erhöhte Vorsicht geboten. Denn grundsätzlich wird mit der Feststellung der Überschuldung gleichzeitig die Pflicht festgestellt,
unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen. Von dieser Pflicht ist nach der Neufassung des insolvenzrechtlichen Überschuldungsbegriffs
der Geschäftsführer oder Vorstand befreit ("... es sei denn"), wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen
überwiegend wahrscheinlich ist. Hier trägt der Geschäftsführer oder Vorstand das gesamte strafrechtliche und zivilrechtliche
Risiko einer Fehlbeurteilung. Erstellt er nämlich die Prognose falsch oder mangelhaft, dann ist er von der Pflicht zur
Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung nicht befreit. Im Falle eines späteren Insolvenzantrags wird dann der
Insolvenzverwalter schnell versucht sein, zu behaupten, dass die Fortsetzungsprognose falsch war und bei richtiger Beurteilung
bereits zum früheren Zeitpunkt Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen und sich deshalb der Geschäftsführer oder Vorstand
bereits über einen längeren Zeitraum in der Insolvenzverschleppung befindet. Kann der betroffene Geschäftsführer oder Vorstand
diese Behauptung des Insolvenzverwalters nicht widerlegen, ist seine strafrechtliche und haftungsrechtliche Situation sehr fatal.
Deshalb sollte der Geschäftsführer oder Vorstand zunächst versuchen, die Überschuldung zu beseitigen, weil er dann nicht das
Risiko einer Fehlbeurteilung bei der Fortsetzungsprognose trägt. Ist ihm die Beseitigung der Überschuldung nicht innerhalb
der insolvenzrechtlichen Antragspflicht möglich, sollte er bereits im eigenen Interesse einen sehr hohen Sorgfaltsmaßstab bei
der Erstellung der Fortsetzungsprognose anstellen. Der Prognosezeitraum sollte mindestens die nächsten zwölf Monate umfassen.
Voraussetzung ist, dass für diesen Zeitraum ausgegangen werden kann, dass eine ausreichende Liquidität vorhanden ist.
Besser ist es, einen Prognosezeitraum von mindestens zwei Jahren zu wählen. Zu entwickeln sind Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen
und Finanzpläne. Diese Pläne müssen einer ständigen Kontrolle unterzogen werden, so dass Abweichungen von den Plänen in die
Berechnung zeitnah integriert werden können. Entfällt durch die Abweichungen die positive Fortsetzungsprognose, so ist dann
unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen.
- Liegen Anhaltspunkte für eine Überschuldung vor, hat der Geschäftsführer oder Vorstand eine substantiierte Dokumentation
der Fortführungsprognose vorzunehmen. Da diese die Beweislast für eine positive Fortführungsprognose haben empfiehlt es sich,
die Plausibilität durch Sachverständigengutachten zu unterlegen. Überwiegend wird angenommen, dass eine Insolvenzantragspflicht
nicht besteht, solange eine ernsthafte Prüfung läuft, ob eine positive Fortführungsprognose vorliegt.
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