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Es gibt kaum Unternehmen, die über Jahrzehnte Bestand haben und nicht einmal in eine Krise gelangt wären. Aufgabe der Unternehmensführung ist es, eine solche Krise rechtzeitig zu erkennen, um zu verhindern, dass sie die Existenz des Unternehmens vernichtet. Je früher eine Krise des Unternehmens erkannt wird und je früher hierauf reagiert wird, desto größer sind die Chancen für eine erfolgreiche Sanierung. Das Risiko der Zerschlagung des Unternehmens steigt exponentiell, je länger die Sanierung eines Unternehmens verschleppt wird. Trotz der Verbesserungen des neuen, seit 01.01.1999 geltenden Insolvenzrechts, das die Erhaltung von sanierungsfähigen Unternehmen erleichtert, ist das Risiko einer Zerschlagung des Unternehmens weiterhin sehr erheblich. Noch immer wurden zahlreiche überlebensfähige Unternehmen im Insolvenzverfahren zerschlagen. Mit dem Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 07.12.2011 (ESUG) sollen Mängel des Insolvenzrechts behoben werden. Es wird sich zeigen, ob mit dieser weiteren Insolvenzrechtsreform mehr überlebensfähige Unternehmen tatsächlich fortbestehen und nicht im Insolvenzverfahren zerschlagen werden. Trotz dieser Verbesserungen sollte weiterhin auf die Erreichung einer außergerichtlichen Sanierung größter Wert gelegt werden. Das neue Insolvenzrecht bietet dann letztlich nur einen Rettungsanker für Sanierungen, die außergerichtlich nicht erfolgreich waren. Ob der Anker hält oder nicht, ist dann oftmals auch eine Glückssache.
Der Zusammenbruch eines Unternehmens hat zahlreiche negative Konsequenzen für ebenso zahlreich Betroffene. Bricht ein nicht lebensfähiges Unternehmen zusammen, so ist seine Entfernung aus dem Markt eine Maßnahme der Marktbereinigung und steht im Interesse einer funktionierenden Marktwirtschaft. Wenn aber ein lebensfähiges Unternehmen zerschlagen wird, sind diese negativen Konsequenzen nicht hinnehmbar. Eine oftmals über Jahre und Jahrzehnte gewachsene organische Einheit wird zerstört. Die Arbeitnehmer verlieren ihre Arbeitsplätze und werden der betriebssozialen Einheit entwurzelt. Die Gläubiger müssen, soweit sie keine gesicherten Forderungen haben, in der Regel einen Totalverlust ihrer Forderungen hinnehmen, was dann oftmals Ursache dafür ist, dass das Gläubigerunternehmens selbst in die Krise kommt und zusammenbricht. Und handelt es sich bei dem zerschlagenen Unternehmen um ein Familienunternehmen, wie es häufig bei den kleinen und mittleren Unternehmen der Fall ist, bedeutet die Zerstörung oftmals nicht nur den Wegfall der wirtschaftlichen Grundlage für die gesamte Familie, sondern es bedeutet vielfach auch durch die Zerrüttungen, die die Zerschlagung des Unternehmens mit sich bringen, den Wegfall der familiären Bande, z.B. durch Scheidung oder Entfremdung.
Unter der Geltung des bis Ende 1998 anwendbar gewesenen Konkursrechts wusste man, dass der Konkursantrag gleichbedeutend war mit der Zerschlagung des Unternehmens. Man versuchte, mit allen Mitteln einen Konkursantrag zu vermeiden. Die gesamte Familie zog vielfach das letzte Hemd aus, wenn auch nur eine kleine, meist unrealistische Chance bestand, den Konkurs zu vermeiden, gab Bürgschaften an die das Unternehmen finanzierenden Banken, um noch einen kleinen Kredit zu erhalten, verpfändete das Familienheim und zog auch noch die eigenen Kinder in die Haftung. Damit wurde spätestens dann die Grundlage für ein persönliche Haftung dieser Personen gelegt, aus der man sich bis zum Eintritt der Verjährung nach 30 Jahren nicht mehr befreien konnte, da es das Instrument der Restschuldbefreiung damals noch nicht gab. Wenn, wie üblich, dadurch der Konkurs nicht verhindert werden konnte, waren alle Familienmitglieder oftmals für ihre gesamte Lebenszeit zum Sozialfall geworden - ohne Zukunft, ohne Träume, ohne Hoffnung und zuletzt ohne Selbstachtung. Man erhielt den Stempel des Versagers aufgedrückt. In Kenntnis einer solch negativen Zukunft im Falle eines Konkursantrags vermochte das Strafrecht seiner abschreckenden Funktion nicht mehr nachzukommen. Gläubiger und Banken wurden getäuscht, Steuern hinterzogen, Bilanzen gefälscht, der Konkurs verschleppt, solange noch die vermeintliche Chance bestand, den Konkurs zu vermeiden.
Diese negative Grundhaltung des bisherigen Konkursrechts wurde durch die neue, seit dem 01.01.1999 geltende Insolvenzordnung g rundlegend geändert. Das Grundanliegen der Insolvenzordnung ist seitdem die Fortführung der Unternehmen, soweit sie überlebensfähig sind. Ferner sollen die Schuldner durch die Möglichkeit der Restschuldbefreiung nicht mehr ihrer Zukunft beraubt werden.
Die Insolvenzrechtsreform 1999 hatte jedoch noch einige Mängel, so dass weiterhin überlebensfähige Unternehmen im Insolvenzverfahren zerschlagen wurden. Mit der weiteren Insolvenzrechtsreform durch das ESUG (Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) wurden viele Mängel mit Wirkung ab dem 01.03.2012 behoben. Schwerpunkt des Gesetzes ist die Erleichterung der Sanierung von Unternehmen durch eine stärkeren Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters, durch Ausbau und Straffung des Insolvenzplanverfahrens, durch die Vereinfachung des Zugangs zur Eigenverwaltung und durch eine größere Konzentration der Zuständigkeit der Insolvenzgerichte.
Aber eines gilt weiterhin - auch auf der Grundlage des Insolvenzrechts 1999/2012: Entscheidend, ob ein Unternehmen sanierungsfähig ist und auch tatsächlich saniert wird, ist weiterhin der Schuldner selbst. Nur er selbst hat es in der Hand, ob die Sanierung möglich ist und gelingt. Zu hoffen, ein Insolvenzantrag, das neue Insolvenzrecht und der eingesetzte Insolvenzverwalter werden schon alles richten, wäre der falsche Weg. Das Unternehmen wird ebenso wie unter der Geltung des alten Konkursrechts zerschlagen werden. Für nachlässige Schuldner ohne oder mit nur geringer Eigenverantwortung hat sich mit dem neuen Insolvenzrecht wenig geändert. Dann ist es aber auch im gesamtwirtschaftlichen Interesse besser, dass ein solcher Wettbewerber aus dem Wettbewerb ausscheidet. Dem nachlässigen Schuldner verbleiben in diesem Fall nur noch die Verbesserungen bei der Restschuldbefreiung. Wer nicht nur nachlässig, sondern auch strafrechtlich relevant handelt, verspielt oftmals auch diesen für ihn letzten Vorteil des neuen Insolvenzrechts.
Auch zur Zeit der Geltung des alten Konkursrechts war die Sanierung des Unternehmens möglich, und zwar insbesondere als so genannte außergerichtliche Sanierung oder als Sanierung über eine Auffanggesellschaft. Wer vorausschauend genug war, hatte, wenn er Fehler in der Unternehmensführung machte und das Unternehmen in die Krise brachte, auf dem kommunikativen Weg die Möglichkeit der Verhandlungen mit seinen Gläubigern. Wurden diese frühzeitig, Vertrauen erweckend und kompetent geführt, war die Stellung eines Konkursantrags oftmals nicht notwendig - oder ein gestellter Konkursantrag konnte alsbald zurückgenommen werden, nachdem unter dem Druck des Konkursantrags obstruktive Gläubiger umschwenkten und eine außergerichtliche Sanierung nun doch ermöglichten. Nicht immer war aber trotz bester Voraussetzungen und bestem Einsatz des Schuldners eine Sanierung möglich, z.B. weil gesicherte Gläubiger das betriebsnotwendige Vermögen dem Unternehmen entzogen. Unter der Geltung des neuen Insolvenzrechts können, und dies ist die entscheidende Verbesserung, ernsthaft verhandelte und aussichtsreiche Unternehmenssanierungen nunmehr auch rechtlich durchgesetzt werden. Das neue Rechtssystem verschafft also überlebensfähigen Unternehmen eine wesentlich größere Chance für eine Sanierung als früher.