Seit meinem 12. Lebensjahr befasse ich mich mit der Wirtschaft. Das begann mit meiner Schulzeit bei der Städtischen Wirtschaftsaufbauschule in München, die im Zeichen von Friedrich List geführt wurde. Danach machte ich eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann, erwarb die Studienreife im zweiten Bildungsweg und studierte Betriebswirtschaft an der Fachhochschule in München. Jetzt schloss sich ein Studium der Rechtswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universtität in München an. Mehrjährig arbeitete ich wissenschaftlich am Institut für Handels-, Wirtschafts-, und Arbeitsrecht der Ludwig-Maximilians-Universität in München auf den Gebieten des Gesellschafts- und Konzernrechts, des Unternehmenssteuerrechts und des Arbeitsrechts. Ein Tätigkeitsgebiet an der Universität sollte meine berufliche Tätigkeit besonders prägen. Ich befasste mich nämlich mit den konzern- und kartellrechtlichen Strukturen des Aufbaus der deutschen Industrie in den Jahren der Gründerzeit von 1870 bis 1930. Auf diese Zeit gehen die Gründungen von heute großen Dax-Unternehmen, wie etwa Siemens, Daimler, Bosch, Opel oder die mittlerweile fusionierten Unternehmen von Thyssen und Krupp zurück. Das Studium dieser Zeit versetzte mich in den Aufbruch dieser Zeit zurück und damit war es mir möglich, spätere Aufbruchzeiten besser zu verstehen.
Daran arbeitete ich an meiner Doktorarbeit, die ich aber unterbrechen musste, obwohl sie bereits überwiegend fertiggestellt war. Denn ich hatte mittlerweile eine 4-köpfige Familie zu ernähren und mit einer wissenschaftlichen Teilzeittätigkeit am Institut und mit wissenschaftlichen Forschungen für eine Promotion war dies nicht möglich, zumal immer mehr Mandanten auf meine Mithilfe warteten. Immer öfters kam ich in den Interessenskonflikt, ob ich mich den einen oder anderen Tag der Familie, meiner Doktorarbeit oder meinen Mandanten widmen soll. Die Familie und die Mandanten, die mir den Familienunterhalt sicherten, standen im Vordergrund, weshalb ich die Fortsetzung der Dissertation verschob und irgendwann war mir das nicht mehr wichtig. Es kamen dann zudem andere persönlichen Aufgaben hinzu wie die Suche eines Eigenheims und ihrer Finanzierung.
Mein Interesse an dem Verstehen und dem Lösen von Konflikten
Durch meine Tätigkeit als Rechtsanwalt fragte ich mich immer mehr, wie Konflikte entstehen und warum es oftmals so schwer ist, solche zu lösen. Mein Interesse an der Kommunikationswissenschaft wurde dadurch geboren und ich bildete mich über Jahre in dieser Disziplin weiter. Ich las viele Bücher, z.B. von C.G. Jung, Paul Watzlawik und Fritz Riemann. Ich besuchte Seminare zur Mediation und besonders beeindruckend war ein Seminar mit Marshall Rosenberg, dem Begründer der gewaltfreien Kommunikation. Das alles mündete in einen weiteren Tätigkeitsbereich, nämlich den der Wirtschaftsmediation.
Gründung einer Niederlassung in Leipzig
Ich war nun seit vielen Jahren mit meiner Kanzlei mit 20 Mitarbeitern in eine enorme Arbeitsbelastung eingebunden. Die Regel war eine 7-Tage-Woche, wobei ich mir gönnte, am Sonntag nur einen halben Tag zu arbeiten.
Ich befand mich damals in einer Sozietät mit einem Partner. Er machte Baurecht und ich Unternehmensrecht. Die Maueröffnung zwischen der DDR zu Westdeutschland im November 1989 sollte für mich hohe Bedeutung im positiven und im negativen Sinne haben. Denn im November 1989 war die . Mein Partner und ich verhandelten zu diesem Zeitpunkt mit Verhandlungspartnern in Dresden und Leipzig das erste deutsch-deutsche Joint-Venture zur Errichtung eines Werkes zu Herstellung von Speichermedien, insbesondere CDS in Thüringen. Wir waren mehrere Tage im Dezember in Dresden zur Verhandlung. Und dann fragte mich der Chef-Jurist von Robotron, ob ich nicht Interesse hätte, in Leipzig ein Büro aufzumachen, damit sich das Kombinat Robotron, das damals fast 70.000 Mitarbeiter beschäftigte, besser auf das westdeutsche Wirtschaftsrecht vorbereiten könne, weil dies künftig für den Konzern eine erhöhte Bedeutung haben würde. Das Ziel war, dass ich Wirtschaftsmandate für Robotron übernehmen soll und durch die gemeinsame Zusammenarbeit würde die Rechtsabteilung des Unternehmens besser in die westdeutsche Juristerei hineinkommen. Ich sagte zu, gab meine Rechtsanwaltszulassung in München auf und erhielt diese in Leipzig. Ich erhielt von Robotron ein Büro in Leipzig, stellte eine Sekretärin des Unternehmens ein und erhielt auch eine Wohnung. Von nun an war ich wöchentlich die Hälfte meiner Arbeitszeit in Leipzig, den Rest in München, wo ich weiterhin meine hiesigen Mandate zu bearbeiten hatte. Ich begab mich sehr stark in Abhängigkeit zu meinem Partner, da das Münchner Büro mit meinen Mandanten zum Unternehmensrecht auch ohne meine volle Mitarbeit weiterlaufen musste, aber ich hatte in ihn vollstes Vertrauen.
Aber nach nur zwei Jahren gab es einen zunehmenden Konflikt in der Partnerschaft über die Strategie und Ziele der Kanzlei. Denn mein Partner wollte die Kanzlei mehr zu einer Baurechtskanzlei ausbauen und die weitere Tätigkeit als Unternehmensführungskanzlei zurückdrängen. Diese Kehrtwendung meines Partners war sehr überraschend und hatten zum Ergebnis, dass die erheblichen Aufbauarbeiten für den Bereich der Unternehmensführung nutzlos gewesen wären.
Wir konnte uns nicht einigen und vereinbarten die Realteilung. Dies hatte für mich große Nachteile, denn ich war fest eingebunden in Leipzig, aber ich wollte nicht in Leipzig bleiben, sondern weiterhin in München verwurzelt bleiben. Denn hier lebte meine Familie und ich hatte eben ein schönes und großes Haus in einem Vorort von München gebaut. Ich gab daher das Büro in Leipzig auf und engagierte mich wieder mehr in München. Die erhebliche Aufbauarbeit war daher nutzlos. Damit ich wieder voll in München weitermachen konnte musste ich aber erst wieder meine Mandate für Unternehmensführung in München erweitern.Und das alles musste sehr schnell gehen.
Mein Vertrauen in die Partnerschaft sollte daher mein Nachteil sein.
Betrug durch eine Raiffeisenbank
Dabei stellte sich eine gute Gelegenheit, nämlich eine notwendige Restrukturierung eines größeren Bauunternehmens und eines Bauträgers. Ich beteiligte mich daran und übernahm zur Finanzierung durch eine Raiffeisenbank bei München eine persönliche Bürgschaft. Alsbald stellte sich heraus, dass das Unternehmen in hohem Maße sanierungsbedürftig war und es vor der Insolvenz stand, die dann tatsächlich eintrat. Die Raiffeisenbank machte die Bürgschaftsforderung gegen mich geltend. Ich stellte allerdings mittlerweile fest, dass ich von dem Vorstandsmitglied, mit dem ich den Kredit und die Bürgschaft verhandelte, über die tatsächliche Lage des Unternehmens getäuscht wurde. Die Kreditverhältnisse standen bereits vor der Kündigung und offensichtlich sah die Bank mich als Retter des Unternehmens an und verschwieg die interne sehr negative Einstellung zum Unternehmen. Ich stellte fest, dass die Bank lediglich beabsichtigte, von mir die Bürgschaft zu erhalten, um dann nach einer eher geringeren Schamfrist die Sicherheiten zu verwerten.
Ich hatte die Bürgschaft sodann wegen arglistiger Täuschung angefochten. Das Vorstandsmitglied, mit dem ich verhandelte, wurde wegen dieser Sache außerordentlich gekündigt, aber die Bank selbst wollte nicht zu ihren Fehlern stehen.
Ich überlegte, ob ich die Bürgschaftssumme zahlen und mich wieder voll auf mein Geschäft konzentrieren sollte. Aber ich tat mir schwer, klein beizugegen und so den Erfolg der Täuschung durch die Bank zu honorieren. Zudem hätte ich beruflich wie bisher vollen Einsatz zu leisten, um daraus die Bürgschaftssumme zu zahlen. Deshalb sah ich diese Sache als Anlass, mir grundsätzlich zu meinen Wegen und Zielen im Leben Gedanken zu machen.
Das war der positive Teil an dieser Geschichte.
Störungen des vegetativen Nervensystems
So fragte ich mich zunehmend, ob dies alles, wie ich lebe und arbeite, so noch einen Sinn macht. Dann kam ein Ereignis, das mir den Gedanken meiner Veränderungen näher brachte. Meine Tochter hatte nämlich Einschlafschwierigkeiten und ich setzte mich am Abend zu ihr ans Bett und reflektierte über den Arbeitstag und über die anstehenden Aufgaben. Neben ihrem Bett hatte sie einen Käfig mit einer Rennmaus. Diese Rennmaus erschien mir mehrmals in einem wiederkehrenden Traum mit demselbem Inhalt. In diesem Traum war ich die Rennmaus und neben mir stand eine Verkehrsampel. Wenn ich zu langsam lief, schaltete diese auf rot. Wenn ich schwächer wurde, schaltete diese auf gelb und ich lief wieder schneller, damit die Ampelanlage auf grün schaltet. Mein Schlafpensum war sehr gering und es gab medizinische Veränderungen, die mir meine Ärzte als Störungen des vegetativen Nervensystems attestierten. Spätestens jetzt wurde mir vollends bewusst, dass ich mein Leben ändern musste.
Methode zur Neuplanung im Leben
Mir war klar, dass ich die Konzeption meiner Neuorganisation des Lebens nicht aus dem täglichen Geschäft heraus planen könne. Zunächst aktivierte ich langsam meine sportlichen Aktivitäten. Es war Frühjahr 1998 – im Herbst sollte ich 50 Jahre alt werden. Meine sportlichen Aktivitäten förderten mein Bewusstsein einer notwendigen Veränderung meines Lebens und jetzt kam die feste Entscheidung einer grundsätzlichen Veränderung. Hierfür nahm ich mir vor, eine Woche lang in ruhiger und kontemplativer Umgebung eine grundsätzliche Entscheidung zu treffen. Deshalb buchte ich die Teilnahme an einer Gletschertour über sechs Tage in den Berner Alpen mit der Besteigung mehrerer 4.000er. Mittlerweile hatte ich wieder eine gute sportliche Kondition erreicht. Der Vorteil einer solchen Gletschertour ist, dass viel Zeit zum Nachdenken verbleibt, da die Gruppe in einer Seilschaft geht und aus Sicherheitsgründen ein Abstand von mehreren Metern notwendig ist, so dass eine regelmäßige Unterhaltung nicht zustandekommt. Hinzu kommt, dass durch die lange und permanente Bewegung und durch die Umgebung, die sich auf weiß und blau reduziert, das Wahrnehmen komplexer Strukturen und die Analyse eigener Bedürfnisse enorm gefördert wird. Ich nahm mir vor, eine Entscheidung über die Änderung meines Lebens erst am letzten Tag vor meiner Abreise zu machen.
Die Entscheidung
Die Entscheidung in dieser Woche war weitreichend und im Rückblick sehe ich, dass sie genau richtig war. Ich entschied mich, mein Büro zu verkleinern, mehr Freizeit zu haben und mich wieder besser um meine Familie kümmern zu können. Und durch die gewonnene Zeit hatte ich bessere Möglichkeiten, mit der Raiffeisenbank einen Rechtsstreit zu führen, was sich sicherlich im Ergebnis positiv auswirken würde.
Erlebnisse in der Natur als Höhenbergsteiger
Zu meinem 50. Geburtstag schenkte ich mir selbst eine Reise nach Ecuador, und zwar eine Expedition auf viele Viertausender, Fünftausender und auf den Chimborazzo, der mehr als 6000 m hoch ist. Ein Jahr lang trainierte ich auf meine Expedition und immer mehr wurde mir bewusst, dass ich nun wieder auf dem richtigen Weg bin.
Jetzt gründete ich zusammen mit einem Freund, einem Bergführer ein gemeinsames Unternehmen, indem wir Bergtouren als Reiseveranstalter durchführten. Ich war öfters dabei und wirkte dann auch noch als Hilfsbergführer mit. Das hat mir die Natur und das naturphilosophische Denken sehr nahe gebracht.
Wir waren sehr erfolgreich, aber leider erkrankte dann mein Partner nach einigen Jahren und konnte seinen Beruf nicht mehr ausüben. Es war sehr traurig für mich, das Unternehmen einstellen zu müssen.