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Überwintern in Palermo

Palermo im März (Teil 2)

Drei Freundinnen kommen an, sie freuen sich auf die warmen Tage, während es in Bayern kalt und unbeständig ist. Bei so vielen Frauen, ist Günter unsicher, wie soll er sich verhalten, vorpreschen oder zurückziehen, er entscheidet sich für abwarten. Und überlässt uns die ersten beiden Tage, wir einigen uns auf Stadtbesichtigung und Orientierung, einmal den "Cassaro" hinauf bis zu Via Roma, dann wieder hinunter, durch das Porta Nuova zum Piazza Independenza. Wer das einmal weiß kann sich nicht mehr in Palermo verlaufen.

Die mächtige Kathedrale zieht die Blicke auf sich, die Aussicht von den Dächern und Kuppeln ist verlockend. Im Süden ist der Normannenpalast mit dem großen Palmenpark zu sehen, im Westen der Pellegrino. Jedesmal entdecke ich neue Details, diesmal das eigenwillige runde Dach des Theatro Politeama. Es wurde im klassizistischen Stil erbaut und erinnert an ein Colosseum.

Gleich neben dem schönen Eingang in die Kathetrale stehen die Sakrophage der berühmten Normannischen Königinnen und Könige und Stauferkaiser, Ob ihre Knochen noch darin liegen, ich muss es nicht wissen. Ihre Leben liegen lang zurück, 1060 - 1250 n.Chr. Ihre Namen sind in Stein gemeisselt, ROGER I, ROGER II, KONSTANZE und HEINRICH VI. sowie ihr gemeinsamer Sohn FEDERICO II. Wegen diesem Stauferkaiser, man nannte ihn „Staunen der Welt“(stupor mundi) besuchen viele Deutsche die Kathetrale. Ihre Geschichte und ihre Geschichten füllen Stunden und Tage mit Abenteuern.

Das Heiligste für die Palermitaner sind die Gebeine der heiligen Rosalia, sie ruhen in ihrem silbernen Altar.

Ulrike und ich finden den Weg in die Gruft unter der Apsis, dem ältesten Teil des Domes, dort liegen Sakrophage aus dem letzten Jahrtausend, wir sind müde die Namen aus dem lateinischen zu entziffern, aber die steinerne Abbildung einer spaltbreit geöffnet Tür gibt uns ein Rätsel auf. Bedeutet das, man kann nach dem Tod wieder zurückkommen?

Wir steigen aus dem Totenreich, draussen ist es noch lange hell.

Es beleben sich die Straßen und Plätze, wir liebäugeln mit den Auslagen der Geschäfte, Kunsthandwerkliches, Klamotten und Fummel. Im Cafe in der Sonne sitzen. Das Interesse an der Besichtigung der historischen Gebäude lässt nach.

Wir schlendern durch die kleinen Gassen und gehen über den, Piazza pretoria, dem Platz der Schande mit dem fantastischen Brunnen und dem Palazzo Municipio, dem Rathaus, hier regiert der Bürgermeister, Leolucca Orlando und wie überall der Verfall. Niemand stört sich daran, wir auch nicht.

Die gemeinsame Tage liegen vor uns, die guten Einkäufe, der kühle Weisswein wir sind ausgelassen, Zeit zum Fotoshooting.

Piazza Pretoria

Donna

Fontana

Ein kleiner Durchgang verbindet den Piazza Pretoria mit dem Piazza Bellini, mit den kleinen kunsthistorisch bedeutsamen Kirchen ein Weltkulturerbe. Die La Cataldo mit ihren roten arabisch anmutenden Kuppeln und die La Martorana, die Admiralskirche deren Inneres mit reichen goldenen Mosaiken ausgestattet ist, deren Glanz aus der byzantinisch-normannischen Zeit nichts eingebüßt hat. Auf meine Frage, "wollen wir hineingehen?" bringt Diana die Sache auf den Punkt: "nicht schon wieder die Nomannen!" Wir sind ein gemischter Haufen, und es gibt nicht einen Hut, unter den alle unsere Interessen passen.

Am Abend probieren wir es mit Oper. Und laufen den roten Teppich die Stufen des "Theatro Massimo" hinauf und lassen uns zwischen Dienern im dunkelblauen Livree, Leibröcken mit silbernen Schnüren und Quästchen fotografieren. Sabine hatte noch vor der Abreise in einer Mail nachgefragt: "Wie schön macht ihr euch für La Traviata" ich schrieb zurück: "sehr schön"! Sabine war vorbereitet, Ulrike und ich haben uns in Palermo eingekleidet, Diana ist einfach perfekt und Günter hat den Sacco für alle Fälle mitgebracht.

Wir sitzen in den Logen verteilt. Die Oper beginnt mit einer großen Ballszenen in Paris, prachtvolle Kleider und ein Walzer von Guiseppe Verdi hebt die Stimmung. Violetta, eine Konkubine ist der Mittelpunkt der Pariser Gesellschaft. Ich hatte es nachgelesen, Violettas Liebreiz sei aufregend für die Männerwelt. Ich bin enttäuscht von Violetta und ihrem Liebhaber Alfredo. Günter hatte seine Meinung von Oper schon vor der Vorstellung auf den Punkt gebracht: "Ich finde Oper ganz gut wenn die auf der Bühne sprechen würden anstatt Singen." Während der ersten Szene ahne ich, sie ist die beste der ganzen Aufführung. La Traviata, die gefallene Liebende ist krank und wird am Ende sterben, ich bin nicht wirklich neugierig, was den Reiz einer drei Stunden sterbenden Opernsängerin ausmachen könnte?

Günter teilt mit mir nicht nur die Unerfahrenheit was Opern angeht, sondern auch die eingeschränkte Sicht, Loge links, zweiten Reihe. Auf erhöhten Barhockern über zwei Italienerinnen hinwegsehen, die mit Fuchs- und Nerzpelzchen bequem im breiten Sessel sitzen, Arme und Täschchen auf die Balustrade gelegt. Müdigkeit beim ersten Akt ich kämpfe mit dem Barhocker um eine geeignete Sitzposition. Der Vorhang es darf geklatscht werden, endlich Pause. Beim Anstehen in der Frauentoilette, betrachte ich im grellen Licht die Abendkleider der überwiegend älteren Damen.

Zurück in der Loge erfahren wir von der Frau mit dem Fuchspelz, dass "Leolucca Orlando" in der großen Loge gegenüber der Bühne sitzt. Bald sind Wahlen, er wolle wiedergewählt und müsse sich zeigen. Ich beuge mich über die Balustrade, sehe eine ganze Männerriege, einige in festlicher Uniform, das wird er wohl sein. Die Oper nimmt ihren Lauf, während der zweiten Pause fragt die Italienerin Günter:, " tutto bene?", er nickt: "bellissima".

Die Dame im Nerz verrät uns" La Traviata" wäre ihre Lieblingsoper und bietet Günter ein Stückchen Schokolade an. Im letzten Akt ist Violetta in den Armen Alfredos gestorben, Günter flüstert mir ins Ohr, "wusste gar nicht dass es möglich ist beim Sterben so laut zu singen". Ich zwicke ihn: "Banause!"

Im Gedränge der Menge kommt der Bürgermeister aus dem Saal, langsam, er ist sehr dick, wirkt alt und verbraucht, die feschen Herren in Uniform sind seine Leibgarde. Günter sagt, "er ist mein Jahrgang, ein 68 er." Leolucca eine Gallionsfigur für den Kampf gegen die Mafia. Seine Amtszeit als Bürgermeister, brachte den Aufschwung, man nannte es "den Frühling von Palermo". Das war 1985 und ist über 20 Jahre her. Ich frage Diana was hat dir an "La Traviata" am besten gefallen, Diana; " das Essengehen davor". Wir nicken zustimmend.

Müde und hochbeschuht, fahren wir ausnahmsweise mit dem Taxi in die Via Vulpi, Günter wehrt sich mit Händen und Füßen, "a piedi". Ich sage: "mitgegangen, mitgefangen."

Je wärmer es wird, um so mehr wird musiziert, free and life, Alleinunterhalter auf der Via Marqueda, Musikstudenten im Ristaurante, bei Sonnenschein vor dem Café an der Piazza Bologni. Ulrike und Sabine sind sich einig, hier gibt es den besten Cafe in Palermo.

Neben der Oper und der Straßenmusik gibt es Auftritte in Musiksäle, da muss man erst eine Karte erwerben. Gar nicht so leicht, da habe ich mich dann bewährt. So beziehen wir unsere Sitzplätze im "Real Teatro Santa Cecilia". Angesagt ist Country-Jazz. Die Musik ist nicht sizilianisch, aber die Musikerinnen und Musiker. Und die Liebe der Sizilianer für Amerika ist legendär. Auch hier gäbe es viele Geschichten zu erzählen, über die Exilsizilianer..... .

Am Wochenende, sind alle jungen Leute auf den Beinen, dann gibt es DJ´s, wie an der Piazza San Domenico. Diana ist begeistert, wir haben Mühe sie nach hause zu bringen.

Verdura

Pesce

Cioccolata

Zeit für den Ballaro ist jeden Tag, denn der Markt ist der schönste, lebendigste und lauteste in Palermo, bestückt mit allen Gerüchen, Hautfarben, Fischsorten, Gemüse und Obstwaren. Es gibt einfach Alles was man verkaufen kann. Für uns arme Vorschrifts- und Hygiene Deutschen absolut das Beste.

Wir fahren mit der Bahn nach Cefalu ans Meer, es ist so schön, nur die Sonne ist viel zu schnell untergegangen. Für Diana ist Strand und Sonne das höchstes Glück. Am liebsten jeden Tag, sie schwankt zwischen Cefalu und Mondello.

Ulrike, Sabine und ich wandern von Boccadifalco über die Hänge nach Monreale. Ich bin den Weg nun oft gelaufen, Sabine sagt: "hier oben kennt dich jeder Hund". Zäunen, Gittern und kunstvoll geschmiedeten Spitzen, ein gutes Fotomotiv. Mitte März ist die Kirsch- und Mandelblüte, die Wiesen blühen, die orangen Ringelblumen, Margariten, das Knabenkraut und viele bunte Wicken. Ich erzähle, "die Orchideen sind bald verblüht."

calendula

Santiero

fiore di ciliege

Sabine philosophiert: "Frühlingsanfang in Palermo ist, wenn die Orchideen bereits verblüht sind und die Palermitanerinnen im Pelz in die Oper gehen." Wie wir nach 2 Stunden über den Hügel kommen, Kirche und Kloster von Monreale sehen, sagt sie schmunzelnd: "wegen dem Kloster hast du uns über den Berg gejagt?"

Monreale

Chiostro

dei Benedettini

Die letzten Tage entschlossen wir uns ein Auto zu mieten und Günter als Fahrer zu engagieren. Er mag den Verkehr in Palermo. Nur wann gehts los, wohin und wer sitzt auf der Rückbank, Fragen die nicht immer ganz leicht zu entscheiden sind.

Montelepre, der Heimatort des Banditen und sizilianischen Helden Salvatore Guiliano. Er soll Theodore Rooseveltgefragt haben, ob er nicht Sizilien als 51. Staat Amerikas aufnehmen würde.

Piana degli Albanesi lädt ein zum Wandern. Im Städtchen sucht Diana nach albanesischen Straßennamen. In der Bar am Marktplatz stossen wir auf den größten Conellobäcker Italiens. Am Pass "Portella della Ginestre" eine Gedenkstätte, Salvatore Guiliano und seine Bande hatte hier im Auftrag der Mafia, unter den Teilnehmern einer Kundgebung zum Tag der Arbeit am 1. Mai 1947, ein entsetzliches Blutbad mit elf Toten angerichtet.

Ein Ausflug nach Segeste, Günter nimmt einen Wanderweg, Diana, Ulrike und ich gehen die Hauptroute durch ein Meer von Blumen 100 Meter hinauf zum griechischen Theater mit der weiten Sicht auf die Bucht von Castellamare.

Am nächsten Tag fahren Günter und Ulrike los. Ulrike besucht "Corleone", die berüchtigte Mafiastadt, dort erfährt sie, das Mafiamuseum lässt nur Gruppen mit Führung hinein. Günter fährt nach Ficuzza, die ganze ungeteerte Landstraße hinauf bis zur Hütte "Rifugio Alpe Cucco", von dort steigt er die Felsenkette Bussambra hoch.

Am nächsten Tag geht der Flug zurück nach Hause, nach 10 Wochen ein Abschied für immer.

02.01.2018, Daniela Tax