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Überwintern in Palermo

Palermo im Januar

Der Winter ist auch auf Sizilien im Januar am kältesten, auf den Gebirgszügen die bis zu 2000 Meter hoch ragen, liegt viel Schnee, der Blick auf die weiße Haube des stattlichen 3300 Meter hohen Ätnas ist in diesen Wochen am schönsten. Wir sind über Catania nach Sizilien geflogen und konnten ihn aus dem Flugzeug sehen. An den Küsten gibt es jedoch keinen Frost und selbst in der Nacht sinkt das Barometer selten unter 6 Grad.

Dagegen ist die Pflanzenwelt selbst im Januar aktiv, allerorts das helle grün des frischen Grases, der Klee mit seinen reichen gelben Blüten bedeckt den Boden der Wälder. Die wilde Iris, Narzissen, und Orchideen wie die Ragwurz, die wie Unkraut wächst zieren unsere Wege. Büsche und Bäume sind grün, die Zitrusbäume tragen Früchte. Die feinsten Orangen wachsen auf Sizilien. Auch der Granatapfel wird jetzt geerntet. In den Gärten blühen einzelne exotische Pflanzen.

Im Februar kündigt sich der Frühling an, überall die frischen Pflanzentriebe, der wilde Fenchel schießt schon hoch, die seltenen Orchideen blühen nur jetzt, im März sind sie bereits verblüht. Frühlinganfang ist, wenn die Wiesen wie wilde Gärten blühen und die orangen Blüten der Ringelblumen ihren Blütenteppich ausbreiten.

Wir laden Familie, Freunde und Interessierte ein uns in einer geräumigen Wohnung in der Via G. Vulpi zu besuchen. Sie ist für die kommenden 8 Wochen unser Domizil. Nur fünf Minuten Gehweg, über den Piazza Independenza, zum Porta Nuova, einem Stadttor, das über die Via Vittorio Emanuelle, in das Centro Storico, die Altstadt führt und am Porta Felice endet. Dort ist das Meer, der kleine Hafen, Cala und das Lungomare, die Strandpromenade.


Inverno

Via Vittorio Emanuelle

Primavera


Die ersten 2 Wochen sind die kältesten, Günter und ich beginnen unsere Erkundungen.

Vom 12. Januar bis zum 22. Januar.

Der Pellegrino, der Hausberg von Palermo ist ein Natur Reservat, das bedeutet so viel wie keine Bebauungen und Wildnis. Wir gehen entlang der einzigen Fahrstraße, kaum ein Auto, keine Fußgänger. Eine Polizeistreife parkt am Straßenrand, eine Plane ist zwischen 2 Sträuchern gespannt, ein trockenes Plätzchen für einen Hund. Zwei dunkelhäutige junge Frauen warten auf der gegenüberliegenden Straßenseite unter dem dichten Blätterdach auf einen Freier.

Ein Turm markiert den Eingang zum Wanderweg. Bald geht es steil hinauf, ich rieche den herben Geruch der Macchia, Dornen greifen nach unseren Anoraks. Zwischen den schroffen Felsen öffnen sich Aussichten, unten liegt Palermo unter einem Wolkengemisch.

Die Erde ist feucht, die Steine rutschig. An einem zerfallenen Unterschlupf, ein überraschender Altar.

Auf dem Bergrücken bedeckt das helle Grün des Glücksklee den Boden, ein Pfad führt durch einen hellen Pinienhain auf die geteerte Straße. Sie führt uns zu Rosalia, der Schutzheiligen von Palermo, sie liegt im kalten Fels.

Am Fuße des Heiligtums, locken die Verkäufer mit Granatäpfeln und Orangen, keine Attrappen, sie werden auf Sizilien im Winter reif. Die Buden schützen auch die Lebenden nicht vor der nassen Kälte.

Nur durch Bewegung bleiben wir warm, wir setzen den Rundweg fort. An den Abbruchkanten sind Stahlnetze über den nacken Fels gespannt, Steinschlaggefahr. Tief unten die Küstenstraße, das Meer und der neue Friedhof von Palermo.

Die Symmetrie seiner geordneten Wege und befestigten Urnenreihen, stehen im Gegensatz zu den grauen Hochhauskasernen und der wilden Zersiedlung der Stadt.

Der Pfad führt uns wieder hinunter, die Stämme der Föhren und Pinien sind schwarz, ihr immergrünes Kleid braun, der letzte Sommer war trocken gewesen, der Wald hatte gebrannt.

Zurück in der Stadt, leere Straßen, es nieselt, an einem Platz steigen wir in irgendeinen Bus, wir haben Glück er fährt zum Bahnhof. Erschöpft gehen wir durch den Ballaro, den billigsten Markt Palermos. Die Verkäufer schützen ihre Waren mit Planen, Leute stellen sich beim starken Regen darunter, auch mit Motorroller, schon brechen wieder helle Sonnenstrahlen ein, Graffiti gibt den kahlen Wänden der Abrisshäuser ein Gesicht.

Am Ende der Straße ein alter Glockenturm, auf seiner kleinen Plattform, 40 Meter über der Stadt sehen wir ein Schauspiel aus Licht. Ich stelle mir vor, dass zu Zeiten der Normannen nur die hohen prächtigen Bauten, wie die alte Kathetrale aus einem Meer von Palmen herausragten, während Straßen, Häuser und Plätze verborgen blieben.

Cattedrale Normanna

Santa Rosalia

Monte Pellegrino


Heute hat es tagsüber 6 - 8 Grad, Regen mit Böen und Graupel jagen die Menschen von der Straße, sie harren in den Hochhauswaben und füllen die beheizten Hinterräume der Bistros.

Das weiße Straßenpflaster ist rutschig, es bilden sich Pfützen, ich ducke mich unter die Balkone und leeren Markisen der Geschäfte und erreiche das Museum für neuzeitliche Kunst. Hohe Räume, lange Gänge, Innenhöfe, marmorne Treppe, die hohen Fenster sind abgehangen, die Kunstwerke nur spärlich beleuchtet. Innen ist es genauso kalt wie draußen.

Ich renne eilig durch das Stadttor, passierte die wild befahrende Piazza Independenza um möglichst schnell, mit klammen Fingern die Wohnung zu erreichen. Gestern schon suchten wir nach einem geeigneten Ausflug für solche Tage.

Und finden Abwechslung, im alten Jesuitenklosters "Cappuchini". In den Katakomben aufgerichtete, angezogene Skelette, sortiert nach weltlichem und kirchlichem Stand, Männer, Frauen und Kinder getrennt. Die Attraktion, ein zweijähriges Mädchen, die kleine Rosalia, sie ruht in einem gläsernen Sarg. Sie wurde vor etwa 80 Jahren meisterlich einbalsamiert, in der Stirn die hellen Löckchen, als würde sie nur schlafen, ein Schneewittchen. Es lebt schon lange niemand mehr der sich an sie erinnern könnte.

Der kleine Friedhof des Klosters wirkt dagegen freundlich, die marmornen Tafeln, darauf steinerne Bücher mit den letzten Fotos der Allerliebsten, Skulpturen und kleine Mausoleen deren Dach der Himmel bildet.

Zurück durch die Gassen, "eine kleine Spende für die Toten" die Palermitaner haben Humor. Weiter ein kleines Restaurant, solche findet man viele in Palermo, doch nur wenige sind ausreichend beheizt und noch seltener ohne Schutzgeld für die Mafia, ausgezeichnet mit "addio pizzo".

Convento dei Cappuccini, Morto

Cimitero Sant`Orsola, Santo`Spirito

Ponte Ammiraglio, Flusso Oreto


Wir besuchen abgelegene Sehenswürdigkeiten in der Stadt, das ist ohne ein weiteres Studium der öffentlichen Verkehrsmittel und Fehlschläge nicht möglich. Günter und ich haben diesbezüglich eine andere Einstellung, er ist geduldig, aber er hat irgendwann keine Lust mehr. Ich bin stur, und studiere die Fahr- und Stadtpläne. Oft müssen wir auch durch häßliche, dreckige und verbaute Gegenden gehen. Die Freude über das endlich erreichte Ziel ist groß.

Solch abgelegene Ziele innerhalb Palermos sind der alte Friedhof mit der Spirito Chiesa, hier hat der Legende nach die sizilianische Vesper 1282 ihren Ausgang genommen. Ein großer Volksaufstand der Einwohner Palermos gegen die Besatzer. Vor dem Friedhof warten Blumenverkäufer auf Kundschaft.

Von hier aus ist es nur ein Fußweg zu der alten Admiralsbrücke, erbaut im 12. Jahrhundert von den Normannen, sie liegt im ehemaligen Flußbett des Oreto. Oreto, heißt der Goldene, ein Lebensquell, dessen Sand den er aus den Bergen mitführte von goldener Farbe war. Heute ist sein Bett verlegt und einbetoniert, ein trübes seichtes Rinnsal. Die steinerne Brücke hat ihre Aufgabe verloren, sie führt über das frische Grün der angelegten Wiese. Über sie fielen einst im Jahre 1860 der Zug der Tausend ein, die Rothemden mit ihrem Anführer Guiseppe Garibaldi und befreiten die Sizilianer von den Spaniern.

Am nächsten Morgen ist der Schnee fast an unsere Haustüre gerückt, wie ich heute die alte Prachtstaße, die Via Marqueta Richtung Osten gehe sehe ich den gepuderten Monte Griffone, er ist 832 m hoch. Wir wollen zu ihm hinauf. Am Rande der Stadt beginnt die Wanderroute sie steigt über eine schmales Tal an und liegt meist im Schatten des hohen Griffone. Tagsüber ist es warm geworden, der Schnee am Gipfel geschmolzen, alles grün, wir entdecken niedrige blaue Iris. IDie schönste Aussicht auf Palermo haben wir beim Abstieg im Licht des späten Nachmittags.

Nachts hat es wieder in höheren Lagen geschneit, wir haben uns ein Auto mit Heizung gemietet und fahren über Land. Günter wählt die Hochebene, die Piana degli Albanesi, Schnee ist hier eine Besonderheit, auf der Wanderung zum Pass handeln wir uns nasse Füsse ein und brechen ab.

Jetzt wird es von Tag zu Tag wärmer, 6 bis 8 Sonnenstunden, die Tage werden länger.

Unser Ausflug nach Ficuzza am Fuße der Felsenkette Bussambra war ein einsames Naturerlebnis. Der unversehrte Wald von Ficuzza, gehörte zum Schloß und war ehemals Jagdrevier des spanischen Königs. Die Steinkanzel, wie eine Schießscharte, zu der er von seinen Dienern das Wild treiben ließ um es abzuknallen, diente in längst vergessenenen Zeiten als steinerner Altar.

Mein Resümee für den Januar in Palermo, das einzig Beständige im Januar ist das Unbeständige.

Ficuzza

Monte Grifone

Piana degli Albanesi



02.01.2018, Daniela Tax