Was ist die Aussage des folgenden Zitats?
Deutsches Sprichwort
Zunächst stechen mehrere Aussagen aus dem Sprichwort heraus, die damit in Verbindung gebracht werden:
- Der Misthaufen ist erhöht. Man hat von hier einen guten Überblick über alles, was um den Misthaufen herum passiert.
- Der Misthaufen ist das Zentrum und um diesen herum laufen viele Hühner, die eifrig mit dem Suchen von Körnern beschäftigt sind. Sie bilden ein eigenständiges Leben, eine Einheit.
- Der Begriff des Misthaufens ist negativ besetzt. Mist ist der biologische Abfall. Jemand erzählt Mist, wenn man zum Ausdruck bringen möchte, dass dies Blödsinn ist. Oder die Aussage „So ein Mist!“ ist die feinere Version von „verdammte Scheiße“.
- Das Sprichwort besagt nicht, dass der Hahn auf „einem“ Misthaufen steht, sondern auf „seinem“. Durch die Verwendung des Possessivartikels wird sein Reich negativ bewertet.
- Und auf dem Misthaufen gibt es jemanden, der ganz oben im Zentrum steht und überragend sichtbar und hörbar ist.
- Auf einem Misthaufen stehen nicht mehrere Hähne, sondern immer nur einer. Der Hahn wird mit erhöhter Aggression gegenüber Artgenossen gleichgestellt. So bekämpft der Stärkere den Schwächeren in einem Hahnenkampf bis zum Tod.
- Der Hahn läutet den Tag ein, früh, lautstark, nicht zu überhören. Sein Kikeriki ist Ausdruck von Stärke.
- Der König ist die Person, die die Macht hat, die regiert, die auf dem Thron sitzt, die gesehen wird, die urteilt und die gute oder schlechte Dinge entscheidet.
- Und es zeigt das patriachale System, indem die Figuren im Sprichwort – Hahn und König – maskulin sind.
Das Sprichwort beschreibt also jemanden, der sich als Alleinherrscher geriert, der dies lautstark zeigt und der bedingungslos verlangt, dass man sich ihm unterwirft. Das Sprichtwort beschreibt also ein autokratisches, ein herrisches und patriachales System. Ein Chef, der so bezeichnet wird, z.B. ein Geschäftsführer oder ein Filialleiter, ist also eine männliche Person, dem es um die absolute Machtposition in seinem Bereich geht und der nicht kontrolliert werden will.
Aufgaben und Handlungen eines Hahns bestehen grundsätzlich darin, seine Hühner zusammenzuhalten, ihnen eine Ordnung zu geben und für ausreichende Nachkommenschaften zu sorgen. Auch ein König ist derjenige, der seinem Volk eine Ordnung geben will. Hahn und König haben also durch ihre Machtfülle grundsätzlich positive Aufgaben, so dass das Sprichwort in der Regel durch die Wörter „Hahn“ und „König“ nicht abwertend verstanden wird, sondern Ausdruck des Verständnisses ist, dass man sich im Sinne des funktionierenden Ganzen dieser Machtfülle zu unterwerfen hat.
Aber durch die Wahl des „Misthaufens“ als Thron des Patriarchen soll ein Wertungs- und Wahrnehmungswiderspruch des Leiters zum Ausdruck gebracht werden. Insbesondere soll durch die Abwertung seines Reichs als „Misthaufen“ der Leiter selbst abgewertet werden, indem eine Fehlvorstellung zum Ausdruck gebracht wird, dass er letztlich nur auf einem Haufen Mist thront und sich darauf noch was einbildet, er selbst also nicht wahrnimmt, dass er Chef etwas Minderwertigem ist, das er noch dazu als das Seine wahrnimmt. Das erinnert an das Märchen von Hans Christian Andersen „Des Kaisers neue Kleider„. Auch dort soll die fehlende Akzeptanz einer Autorität zum Ausdruck gebracht werden.