Was ist die Aussage des folgenden Zitats?

Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm.

Johann Wolfgang von Goethe

Ist jemandem die Welt stumm, so bedeutet das, dass er die vielfältigen Signale der Welt nicht wahrnehmen kann. Gemeint ist dabei mit „stumm“ nicht das Hören. So ist etwa für eine Taubstummen die Welt nicht stumm, obwohl er weder akkustische Signale wahrnimmt, noch solche von sich geben kann. Denn er kann die Welt mit seinen Augen wahrnehmen kann. Er kann zudem die Gebärdensprache erlernen und damit kann er nicht nur hören, also wahrnehmen, was andere sagen, sondern auch selbst mit dieser Sprache kommunizieren. Auch was unter „Welt“ gemeint ist, muss näher definiert werden. Welt in diesem Sinne kann nur ein eingeschränkter Bereich sein, insbesondere der Bereich, der den Einzelnen beschäftgt, von dem er mehr erfahren will. Es gibt viele Welten und die meisten bleiben für den Menschen stumm. Wenn etwa ein Verwaltungsbeamter alle Sinne zur Wahrnehmung verwenden kann, so bleibt ihm dennoch z.B. die Welt der Quantenmechanik stumm, wenn er sich nicht damit beschäftigt. Und für einen Wissenschaftler der Quantenmechanik bleibt vielleicht die Welt der Kindererziehung stumm, wenn er sich der wissenschaftlichen Forschung mit Haut und Haaren verschrieben hat und keine Kinder hat und solche auch nicht will.

Und für einen Unternehmensführer ist seine Welt das Unternehmen und alles war dazu gehört. Und hier gibt es in der Tat große Unterschiede. Der eine Unternehmensführer nimmt viele Signale wahr, die er bei der Führung beachten will und der andere begnügt sich nur mit den wichtigsten und lautesten Signalen. Wieviel der Signale ein Unternehmensführer wahrnimmt entscheidet seine Tüchtigkeit. Und Tüchtigkeit ist hier weniger mit dem Zeitfaktor seiner Tätigkeit als mehr damit zu bestimmen, wie neugierig er ist, wieviel er wissen will, wieviel er glaubt, noch gar nicht zu wissen und ob er das Ziel verfolgt, immer mehr wissen zu wollen. Ein Unternehmensführer, bei dem diese Eigenschaften weniger ausgeprägt sind, für den ist die Welt der Unternehmensführung tatsächlich in weiten Teilen stumm. Er nimmt diese Teile gar nicht wahr und diese bleiben ihm verschlossen, sie bleiben also stumm.

Je tüchtiger also ein Unternehmensführer ist, desto mehr dieser Signale nimmt er wahr. So nimmt er beispielsweise die folgenden Signale entweder gar nictht wahr oder – was eher die Regel sein wird – nur in Teilen wahr.

  • Die Kunden senden Signale, welche Produkte oder Dienstleistungen sie gerne haben würden.
  • Entwickler der Konkurrenz senden Signale, an welchen Produkten, Dienstleistungen und Verfahren sie gerade arbeiten, die für die Märkte neu sein werden.
  • Die Politik sendet Signale, welche unternehmerischen Maßnahmen gefördert werden.
  • Arbeitnehmervertretungen senden Signale, welche Änderungen für sie wichtig sind oder alsbald sein werden.
  • Mitarbeiter senden Signale, womit sie unzufrieden sind und welche Verbesserungen sie erwarten.
  • Finanzierende Banken senden Signale, welche Verbesserungen in der Finanzstruktur sie für vorteilhaft halten würden.

All diese Signale sind schon lange bevor sie deutlich wahrnehmbar sind, in diffuser Weise vorhanden. Aufmerksame Beobachter nehmen sie wahr, können sie nach wichtig und unwichtig sortieren, können sie richtig deuten und können dadurch schon lange vor der Konkurrenz reagieren. Hier ist an das Sprichwort zu denken: „Der frühe Vogel fängt den Wurm„.

Wer diese Signale nicht hört, sieht oder spürt, der ist auch nicht geeignet, ein Unternehmen dauerhaft zum Erfolg zu führen. Er wird im besten Falle der Konkurrenz hinterherlaufen. Oftmals läuft er aber auf seinem Weg weiter, auf dem er bisher Erfolg hatte, und merkt nicht, dass der Weg eine Kurve macht.Er hört nicht, dass viele seiner Mitarbeiter, Berater oder Geschäftspartner schon lange vorher auf die Notwendigkeit hingewiesen haben, dass die Richtung des Weges zu ändern ist und der bisherige Weg nicht mehr fortgesetzt werden kann, wenn man weiterhin wie bisher Erfolg haben will.

Ein solcher Unternehmensführer, der nicht tüchtig genug ist, um die Unternehmenswelt zu hören, der die Feinheiten der Änderungen nicht wahrnimmt, wird auf Dauer scheitern.

Größere Unternehmen, die über Fremdgeschäftsführer verfügen, tauschen die Unternehmensführer bei einer dauerhaften Verschlechterung der Unternehmenskennzahlen oftmals gerade deshalb die Unternehmensführer aus, weil diese die Signale des Marktes nicht gehört und daher nicht darauf reagiert haben. Sie suchen dann nach neuen Unternehmensführern, die das feine Gehör für die Veränderungen im Markt haben und, so das Ziel des Wechsels in der Unternehmensführung, die das feine Gespür haben, Änderungen vorzunehmen, bevor die Konkurrenz aufwacht.