Finanzanalyse
Bei der Finanzanalyse sind insbesondere der Verschuldungsgrad, die Eigenkapitalquote der Anspannungsgrad, die Intensität des langfristigen Kapitals und die Fremdkapitalzinslast zu unterscheiden. |
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Kennzahlen der Finanzanalyse | Formel |
Verschuldungsgrad = |
Fremdkapital (FK) x 100 _____________________________ Eigenkapital (EK) |
Eigenkapitalquote = |
EK x 100 _____________ Gesamtkapital |
Anspannungsgrad = |
FK x 100 _____________ Gesamtkapital |
Intensität des langfristigen Kapitals = |
EK + langfristiges FK) x 100 |
Fremdkapitalzinslast = |
Zinsen und ähnliche Aufwendungen x 100 ____________________________________________ FK |
Aus diesen Kennzahlen folgt:
Eigenkapitalquote und Verschuldungsgrad
Mit der Eigenkapitalquote wird das Verhältnis des Eigenkapitals zur Bilanzsumme zum Ausdruck gebracht. Je höher die Eigenkapitalquote ist, desto gesünder und kreditwürdiger ist das Unternehmen. Denn das Eigenkapital stellt einen Puffer dar, mit dem Gewinnrückgänge oder Forderungsausfälle aufgefangen werden können. Ist das Eigenkapital zu niedrig, würde in solchen Fällen das Unternehmen schneller insolvent werden mit der Folge, dass die Fremdkapitalgeber das unternehmerische Risiko mittragen müssten, wozu sie in der Regel nicht bereit sind. Meist ist in den Fällen der Unternehmenssanierung das Eigenkapital des Unternehmens schwer angeschlagen, so dass die Eigenkapitalquote sehr gering ist.
Tipp
Insbesondere bei der Sanierung von Unternehmen, die in der Rechtsform einer Körperschaft oder einer GmbH & Co. KG geführt werden, ist die Eigenkapitalfrage dahingehend entscheidend, ob bzw. wann Insolvenzantrag gestellt werden muss. Bei diesen Rechtsformen besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrags, wenn eine Überschuldung des Unternehmens eingetreten ist.
Ist das Eigenkapital solcher Gesellschaften noch positiv stellt sich die Frage nach der Burnrate, also danach, wie schnell das noch vorhandene Eigenkapital verbrennt, weil sich hieraus ein Zeitpunkt ergibt, zu dem spätestens Insolvenzantrag zu stellen wäre, falls es nicht zu einer Umkehr der Situation durch entsprechende Sanierungsmaßnahmen kommt.
Je höher der Verschuldungs- und Anspannungsgrad ist, desto höher ist das Finanzierungsrisiko. Bei einer Eigenkapitalquote von 100 % ist das Finanzierungsrisiko gleich Null. Da das Unternehmen in der Regel auch auf eine Fremdkapitalfinanzierung angewiesen sein wird, ist auf eine langfristige Finanzierungsstruktur Wert zu legen. Je höher die Intensität des langfristigen Kapitals im Verhältnis zum Gesamtkapital ist, desto stabiler ist die Finanzierungsstruktur. Die Fremdkapitalzinslast zeigt an, zu welchem Durchschnittspreis das Fremdkapital beschafft ist. Die Fremdkapitalzinslast sollte daher so klein wie möglich, d. h., das Fremdkapital sollte so günstig wie möglich beschafft sein.
Höhe des Verschuldungsgrades
Der Verschuldungsgrad des Unternehmens errechnet sich aus der Relation des Fremdkapitals (FK) zum Eigenkapital (EK). Je höher der Verschuldungsgrad ist, desto höher ist die potenzielle Gefährdung des Unternehmens in seinem Bestand. Meist ist Ursache der Sanierungsbedürftigkeit, dass der Verschuldungsgrad zu hoch war und deshalb in der Krise des Unternehmens keine Möglichkeit mehr bestand, einen Liquiditätsengpass durch Zuführung neuer Liquidität infolge einer Aufnahme weiteren Fremdkapitals zu decken.
Bei der Sanierung eines Unternehmens ist im Sanierungsplan anzugeben, wie hoch der aktuelle Verschuldungsgrad ist, auf welcher Höhe er sich nach Durchführung der Sanierung befinden soll und welcher Verschuldungsgrad erreicht werden soll, um die Vision des gesundeten Unternehmens erreichen zu können. Vor allem eine stetige Zunahme des Verschuldungsgrades ist ein wichtiger Frühindikator für eine Krise und sollte somit zeitig zur Restrukturierung des Unternehmens führen. Denn es ist abzusehen, dass das Rating des Unternehmens dadurch immer schlechter wird und die Verschlechterung dann zu höheren Fremdfinanzierungskosten und zuletzt dazu führt, dass das Unternehmen Fremdkapital gar nicht mehr erhält.
Stille Reserven
Bei der Bemessung der Eigenkapitalquote ist nicht von den Bilanzansätzen, sondern von den tatsächlichen Vermögenswerten auszugehen. Denn die Bilanz zeigt in der Regel nicht die wahren Werte des Unternehmens. So sind die Vermögensgegenstände der Aktivseite oftmals wesentlich mehr wert als der angegebene Buchwert, z.B.
- weil ein Grundstück vor Jahrzehnten erworben wurde, aber noch mit dem niedrigeren Anschaffungswert bilanziert ist, oder
- weil selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter, wie z.B. Patente, in den Bilanzen nicht erscheinen.
Aber auch auf der Passivseite der Bilanz kann es zur Bildung stiller Reserven kommen, z.B. weil Rückstellungen für drohende Verluste gebildet worden sind, die tatsächlich nicht oder nicht in dieser Höhe eintreten.
Diese stillen Reserven stehen zudem für die Sanierung des Unternehmens zur Verfügung. Insbesondere dann, wenn das Unternehmen in der Rechtsform einer Körperschaft geführt wird und die Aufstellung der Bilanz eine Unterbilanz, also eine buchmäßige Überschuldung zeigt, kann die Feststellung der vorhandenen stillen Reserven bewirken, dass tatsächlich noch keine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne vorliegt und damit noch nicht Insolvenzantrag wegen Überschuldung gestellt werden muss. Denn der Insolvenzgrund „Überschuldung“ stellt auf die tatsächliche und nicht auf die buchmäßige Überschuldung ab.
Immaterielle Vermögenswerte
Auch immaterielle Vermögenswerte gehören in der Regel zu den stillen Reserven, weil sie in der Bilanz nicht erscheinen, es sei denn, sie sind käuflich von Dritten erworben worden. In der Regel hängt der Erfolg eines Unternehmens stark von immateriellen Vermögenswerten ab. Die immateriellen Vermögenswerte beginnen bereits bei dem Erscheinungsbild nach außen. Es ist im Hinblick auf die Informationsflut, mit der der Kunde überschüttet wird, immer bedeutender geworden, dass das Unternehmen schnell und effizient erkannt werden kann. Hierzu tragen besonders die Unternehmensbezeichnung und das Erscheinungsbild bei. Anzugeben ist in der Unternehmensanalyse daher, inwieweit das Unternehmen von einem solchen Erscheinungsbild nach außen abhängig ist und dieses durch Markenrechte geschützt ist. Eine Bewertung dieser immateriellen Vermögenswerte kann aber in der Regel nur erfolgen, wenn infolge der Sanierung die Fortsetzungsprognose des Unternehmens positiv ist, weil sich mit dem Zusammenbruch eines Unternehmens die immateriellen Vermögenswerte meist verflüchtigen.
Gleiches gilt auch für das Erscheinungsbild der Produkte des Unternehmens. Auch ist in der Unternehmensanalyse anzugeben inwieweit sich das Erscheinungsbild der Produkte von Konkurrenzprodukten abgrenzt und inwieweit hierfür gewerbliche Schutzrechte vorliegen.
Auch aus technischer Sicht ist anzugeben, ob und inwieweit die Produkte des Unternehmens patentiert oder anderweitig geschützt sind. Dabei ist auch die Restlaufzeit dieser Rechte anzugeben.
Bei vielen Unternehmen besteht ein erheblicher Wettbewerbsvorteil aufgrund eines bestimmten Know-hows, das entweder mit gewerblichen Schutzrechten nicht geschützt werden kann oder bei dem vom Unternehmen absichtlich auf einen solchen Schutz verzichtet wird. Hier ist anzugeben, welches Know-how in welcher Weise zum Erfolg des Unternehmens beiträgt und wie sichergestellt ist, dass das Know-how und die Betriebsgeheimnisse auch geheim bleiben.
Bei Unternehmen, die über einen hohen Wert immaterieller Vermögenswerte verfügen, etwa weil sie infolge einer überdurchschnittlich guten Öffentlichkeitsarbeit sehr bekannt sind und sie ein gutes Image aufgebaut haben, können auf dieser Welle der positiven Betrachtung des Unternehmens durch den Markt erhebliche Erfolge erzielen. Aber diesen Unternehmen muss auch bewusst sein, dass diese positive Betrachtung des Marktes sehr fragil ist und sich schnell verflüchtigen kann, insbesondere wenn das Unternehmen als Krisenunternehmen eingestuft werden würde. Deshalb muss hier mehr als bei anderen Unternehmen sehr frühzeitig mit einer Restrukturierung begonnen werden, die sich dazu noch nach außen gut verkaufen lassen würde, dass nämlich das Unternehmen vorausschauend ist und sich schon sehr früh auf Markt- oder Produktveränderungen einstellen kann. Wenn das Unternehmen bis zur Notwendigkeit einer Sanierung wartet, dreht sich dieser Vorteil erheblich zu einem Nachteil um.
Struktur der Fremdfinanzierung
Sanierungsfälle zeichnen sich häufig dadurch aus, dass eine betriebswirtschaftlich verfehlte Struktur bei der Fremdfinanzierung vorliegt. Insbesondere ist das Zusammenspiel von kurzfristiger Fremdfinanzierung über eine Kontokorrentfinanzierung mit einer langfristigen Fremdfinanzierung aufgrund von Darlehensverträgen mit fester Laufzeit verfehlt.
Verfehlt ist häufig auch die Finanzierung von Liquiditätsspitzen, was dann meist dazu führt, dass fällige Zahlungen erst verspätet geleistet werden. Solche Spitzen im Liquiditätsbedarf werden in der Regel fremdfinanziert. Sie entstehen z.B. dann, wenn Löhne, Gehälter und Sozialversicherungsbeiträge fällig werden, was in der Regel zum Monatsende der Fall ist. Spitzen im Liquiditätsbedarf entstehen aber auch dann, wenn die monatlichen und quartalsmäßigen Steuern fällig werden (je zum 10. des Folgemonats oder Folgequartals). Liquiditätsspitzen können aber auch aus anderen Gründen entstehen, wie z.B.
- aufgrund von Sonderzahlungen aus verlorenen Rechtsstreitigkeiten,
- durch erhöhte Aufwendungen für Gewährleistungen oder durch
- überraschend eingetretenen Reparaturbedarf (z.B. im Falle eines Brandes, solange die Versicherung noch nicht gezahlt hat).
Wie stabil eine Unternehmensfinanzierung in solchen Fällen ist, zeigen insbesondere die Antworten auf folgende Fragen:
- Wie häufig und in welchem Maße wurde der Kontokorrentkredit in den letzten zwölf Monaten überzogen?
- Wurden Lastschriften oder Schecks mangels Deckung nicht eingelöst oder Überweisungsaufträge aus diesem Grunde nicht durchgeführt?
- In welchem Umfang wurden Skonti der Lieferanten in Anspruch genommen?
- Wurden Anträge zur Erhöhung des Kontokorrentrahmens gestellt und abgelehnt?
Anteil der ausstehenden Forderungen zum Jahresumsatz
Eine häufige Ursache für den Eintritt einer Sanierungsbedürftigkeit ist ein schlechtes Cash-Management. Je höher die geschäftlichen und finanziellen Transaktionen des Unternehmens sind, desto besser muss das Cash-Management sein. Der Anteil der ausstehenden Forderungen zum Jahresumsatz sollte so gering wie möglich sein. Wie hoch ein vernünftiger Anteil ist, hängt von der Branche und der Wahrscheinlichkeit des Ausfallsrisikos ab. Arbeitet ein Bauunternehmen z.B. vorrangig für öffentliche Auftraggeber, dann liegt ein Risiko, dass die Forderung aus wirtschaftlichen Gründen des Schuldners nicht realisiert werden kann, kaum vor. Andererseits muss das Unternehmen in der Regel lange auf den Geldeingang warten, so dass der Anteil der ausstehenden Forderungen zum Jahresumsatz höher sein kann als in anderen Fällen, bei denen ein erhöhtes Ausfallrisiko besteht. Im Rahmen des Liquiditätsmanagements ist diese Tatsache angemessen zu berücksichtigen.
Verkauft das Unternehmen dagegen Produkte gegen Rechnungsstellung an eine Großzahl von Käufern, dann sollte der Anteil der ausstehenden Forderungen gering sein. Höher kann der Anteil dann sein, wenn eine Kreditversicherung das wirtschaftliche Ausfallsrisiko übernommen hat.
Anteil der offenen Verbindlichkeiten zum Jahresumsatz
Auch der Anteil der offenen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen zum Jahresumsatz sollte gering sein, wobei auch hier die angemessene Höhe von der Branche und der Besonderheiten des Einzelfalls abhängig ist. So ist bei Unternehmen, die in der Lage sind, mit ihren Lieferanten lange Fristen für die Fälligkeit der Zahlungen zu vereinbaren, naturgemäß stets ein hoher Anteil der offenen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen gegeben.
Tipp
Achten Sie darauf, dass die jeweilige Höhe der offenen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen geringer ist als die jeweilige Höhe der offenen Forderungen gegen Kunden aus Lieferungen und Leistungen.
Um wie viel geringer die offenen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen gegenüber den offenen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sein sollen, hängt von der Branche und den Besonderheiten des Einzelfalls ab. Denn mit den Forderungen gegen Kunden aus Lieferungen und Leistungen müssen regelmäßig nicht nur die Lieferantenverbindlichkeiten, sondern auch alle anderen offenen Verpflichtungen wie z.B. für das Personal, für die Miete, für die sonstigen laufenden Kosten und für die Zinsen für die Fremdfinanzierung gedeckt werden. Sind die offenen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen zu hoch, besteht das Risiko, dass diese nicht durch Umsatzgeschäfte, sondern anderweitig, beispielsweise durch Darlehen finanziert werden müssen. Fehlt dann die Möglichkeit, den vom Umsatz nicht gedeckten Teil dieser offenen Verbindlichkeiten durch Bankkredite oder durch andere Maßnahmen zu finanzieren, so droht dem Unternehmen schnell eine ernste Liquiditätskrise, die bei einem längeren Anhalten den Bestand des Unternehmens gefährden könnte.
Im Rahmen der Unternehmensanalyse ist festzustellen, ob und in welchem Maße die regelmäßige Höhe der offenen Verbindlichkeiten betriebswirtschaftlich akzeptabel ist.
Checkliste
- Finanzwirtschaftliche Kennzahlen:
- Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital (Eigenkapitalquote)
- Verschuldungsgrad
- Anspannungsgrad
- Intensität des langfristigen Kapitals
- Fremdkapitalzinslast
- Stille Reserven und immaterielle Vermögenswerte
- Anteil der ausstehenden Forderungen zum Jahresumsatz
- Anteil der offenen Verbindlichkeiten zum Jahresumsatz