Corona-Pandemie | Ausschluss von Insolvenzanfechtungen
Ausschluss von Insolvenzanfechtungen
Nach § 2 Abs. 1 Ziffer 4 COVInsAG sind auch Insolvenzanfechtungen ausgeschlossen, wenn die Insolvenzantragspflicht nach § 1 dieses Gesetzes ausgesetzt ist. In § 2 COVInsAG ist geregelt, dass in diesen Fällen Rechtshandlungen, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar sind; dies gilt nicht, wenn dem anderen Teil bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Entsprechendes gilt für
a) Leistungen an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber;
b) Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners;
c) die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht
werthaltiger ist;
d) die Verkürzung von Zahlungszielen und
e) die Gewährung von Zahlungserleichterungen.
Der Hintergrund für diese Bestimmung ist, dass der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anfechten kann (§ 129 Abs. 1 InsO). Das Anfechtungsrecht dient also der Beseitigung von Gläubigerbenachteiligungen. Eine Benachteiligung der Gläubiger liegt in der Regel vor, wenn die Befriedigung der Gläubiger vereitelt, vermindert, erschwert oder verzögert wird. Was durch die anfechtbaren Handlungen aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden (§ 143 Satz 1 InsO). Gewährt der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurück, so lebt seine Forderung wieder auf (§ 144 Abs. 1 InsO).
Die Insolvenzordnung regelt eine Reihe von konkreten Anfechtungsmöglichkeiten. Für eine sogenannten kongruente Deckung – auf die § 2 Abs. 1 Ziffer 4 COVInsAG abstellt – gilt, dass nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO eine Rechtshandlung anfechtbar ist, die einem Insolvenzgläubiger Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,
- wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist,
- wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und
- wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte .
In den Fällen, in denen die Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG ausgesetzt ist, liegt Zahlungsunfähigkeit vor und diese Bestimmung besagt, dass dennoch keine Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags besteht. Die Anfechtungsmöglichkeit im Falle eines späteren Insolvenzverfahrens würde jedoch die Handlungsmöglichkeiten des Schuldners so einfrieren, dass nach Beendigung der Krise praktisch kein Wiederanfang möglich wäre.
Dies wird an folgendem Beispiel verdeutlicht:
Das Ladengeschäft des Kaufmanns A musste infolge der öffentlich-rechtlichen Anordnungen schließen. Die Umsätze blieben aus und nach wenigen Tagen waren alle finanziellen Reserven von A weitgehend aufgebraucht. A hoffte, dass er nach der Beendigung der Krise seine Einnahmeausfälle wieder ausgleichen könne, aber er wusste auch, dass dies viele Monate dauern würde. Zunächst war er zahlungsunfähig, weil er viele der offenen Rechnungen seiner Lieferanten nicht bezahlen konnte und es sicherlich Wochen oder Monate dauern würde, bis er Zahlungen leisten könnte.
A deckte einen Teil seiner Einnahmeausfalle dadurch ab, dass er bei telefonischen Bestellungen oder bei Bestellungen über das Internet Waren auslieferte. Er brauchte hierzu neue Waren des Lieferanten B. Dieser war nur bereit, neue Ware zu liefern, wenn die offenen Rechnungen der bereits vor dem Schließen seines Ladengeschäfts gelieferten Waren beglichen werden, wobei er ihm Ratenzahlungen abbot. A zahlte dem B diese Rechnungen in Raten.
A erreichte dadurch über viele Wochen, dass er wenigstens teilweise Umsätze erzielen konnte und er erwartete, dass nach der Wiederöffnung seines Ladengeschäfts die Einnahmen so gut anziehen werden, dass er alle bisherigen Verluste dadurch decken konnte.
So war es auch anfangs. A konnte sein Ladengeschäft wieder eröffnen und die Einnahmen zogen an. Aber nach wenigen Wochen wurde A krank, da der Stress der vergangenen Wochen und Monate seine Kräfte weitgehend aufgezehrt hatte, so dass er über weitere Wochen nicht arbeitsfähig war. Er sah keine Chance mehr, sich über Wasser zu halten und zum Jahresende 2020 stellte er Insolvenzvantrag und das Insolvenzverfahren wurde eröffnet.
An sich könnte der Insolvenzverwalter nun die Zahlungen an B zurückfordern, die A in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag an ihn geleistet hat, weil er die Zahlungen erhielt, als A zahlungsunfähig war und B dies wusste. Aber § 2 COVInsAG steht einer solchen Anfechtung entgegen.