Beschluss und Stimmrecht
Die Einziehung erfolgt mit Gesellschafterbeschluss mit einfacher Mehrheit, falls nicht im Gesellschaftsvertrag eine andere Mehrheit vereinbart ist. Der betroffene Gesellschafter hat grundsätzlich auch bei der Zwangseinziehung ein Stimmrecht, außer wenn diese aus wichtigem Grunde oder sonst in seiner Person liegendem Grund erfolgt oder die Satzung etwas anderes bestimmt. Dies kann zu fatalen Ergebnissen führen, etwa wenn eine Minderheit der Gesellschafter den Mehrheitsgesellschafter mit der Begründung ausschließt, für die Einziehung liege ein wichtiger Grund vor. Soweit dies nicht offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist, lassen sich die Stimmverhältnisse innerhalb der GmbH wesentlich verändern, vor allem dann, wenn der Geschäftsführer zu den Minderheitengesellschaftern gehört und eine entsprechend des Beschlusses geänderte Gesellschafterliste beim Handelsregister einreicht. Denn dadurch wird dem Mehrheitsgesellschafter auch sein Stimmrecht entzogen (BGH vom 26.01.2021, II ZR 391/18). Zwar kann der Mehrheitsgesellschafter den Beschluss anfechten, aber bis womöglich festgestellt wird, dass der Beschluss wegen Nichtbestehens eines wichtigen Grundes nichtig ist, können sich die wirtschaftlichen Grundlagen der GmbH wesentlich verändert haben.
Möglichkeit der Zahlung der Abfindung zum Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses
Ein Einziehungsbeschluss ist entsprechend § 241 Nr. 3 AktG wegen eines Verstosses gegen § 30 Abs. 1 Satz 1, § 34 Abs. 3 GmbHG nichtig, wenn bereits bei Beschlussfassung feststeht, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann (BGH vom 24.01.2012, II ZR 109/11; vom 10.05.2016, II ZR 342/14; vom 26.06.2018, II ZR 65/16; vom 26.01.2021, II ZR 391/18). Denn Auszahlungen an ausgeschiedene Gesellschafter dürfen nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen (BGH vom 04.08.2020, II ZR 171/19; vom 26.01.2021, II ZR 391/18).
Für das im Gläubigerinteresse bestehende Auszahlungsverbot nach § 30 Abs. 1 Satz 1, § 34 Abs. 3 GmbHG gilt eine bilanzielle Betrachtungsweise (BGH vom 26.06.2018, II ZR 65/16). Das Auszahlungsverbot bestimmt sich nicht nach den Verkehrswerten, sondern nach den Buchwerten einer stichtagsbezogenen Handelsbilanz; stille Reserven finden demnach keine Berücksichtigung (BGH vom 29.09.2008, II ZR 234/07; vom 05.04.2011, II ZR 263/08). Die bloße Möglichkeit einer Auflösung stiller Reserven steht einer hinreichenden Ausstattung der Gesellschaft mit ungebundenem Vermögen nicht gleich.
Anfechtungsklage
Die Anfechtung erfolgt durch Klage. Die Möglichkeit zur Erhebung einer Klage ist ein wesentliches Werkzeug für Minderheitsgesellschafter, die sich damit zur Wehr setzen können. Sie wird gegen die Gesellschaft, vertreten durch ihre Geschäftsführer, erhoben. Zuständig ist ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat; funktionell zuständig ist die Kammer für Handelssachen (analog § 246 Abs. 3 AktG; § 94 GVG).
Wird die Klage gegen einen anfechtbaren Gesellschafterbeschluss erhoben, so wird sie als Anfechtungsklage bezeichnet. Wird sie gegen einen nichtigen Gesellschafterbeschluss erhoben, wird sie als Nichtigkeitsklage bezeichnet. Bei der Anfechtungsklage wird beantragt, den streitgegenständlichen Beschluss für nichtig zu erklären. Bei der Nichtigkeitsklage wird beantragt, festzustellen, dass der streitgegenständliche Beschluss nichtig ist. Deshalb ist bei der Antragstellung der Klage zu empfehlen, entsprechende Hilfsanträge zu stellen. Jedoch verfolgen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage dasselbe materielle Ziel, nämlich die richterliche Klärung der Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses mit Wirkung für und gegen jedermann (BGH vom 26.01.2021, II ZR 391/18 m.w.Nw.), so dass im Laufe des Rechtsstreits unklar gestellte Anträge noch korrigiert werden können.